
Das Merit-Order-Prinzip ist ein zentrales Konzept im deutschen Energiemarkt, das die Reihenfolge bestimmt, in der Kraftwerke zur Stromproduktion eingesetzt werden. Es basiert auf den Grenzkosten der Kraftwerke und hat einen erheblichen Einfluss auf den Strommarkt.
Dieses marktwirtschaftliche Prinzip regelt die Einsatzreihenfolge von Kraftwerken nach ihren Grenzkosten und bestimmt somit maßgeblich den Strompreis. Die günstigsten Stromerzeugungsquellen werden zuerst genutzt, bevor teurere zum Einsatz kommen, was weitreichende Auswirkungen auf die Umwelt hat, da erneuerbare Energien aufgrund ihrer niedrigen Grenzkosten bevorzugt werden.
Im Folgenden werden wir das Merit-Order-Prinzip und seine Auswirkungen auf die Strompreisbildung im deutschen Strommarkt detailliert betrachten.
Das Merit-Order-Prinzip erklärt
Das Merit-Order-Prinzip regelt die Einsatzreihenfolge von Kraftwerken zur Stromerzeugung, wobei Kraftwerke mit den niedrigsten Grenzkosten zuerst zum Einsatz kommen. Dieses Prinzip ist entscheidend für die Strompreisbildung im deutschen Energiemarkt.
Definition und Grundkonzept
Das Merit-Order-Prinzip beschreibt die Reihenfolge, in der Kraftwerke zur Deckung der Stromnachfrage eingesetzt werden. Die Grenzkosten, also die Kosten für die Produktion einer zusätzlichen Einheit Strom, sind hierbei der entscheidende Faktor. Kraftwerke mit niedrigen Grenzkosten, wie z.B. erneuerbare Energien, kommen zuerst zum Einsatz.
Historische Entwicklung im deutschen Energiemarkt
Das Merit-Order-Prinzip etablierte sich mit der Liberalisierung der Energiemärkte in den 1990er Jahren. Seitdem bestimmt es die Strompreisbildung im deutschen Markt. Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien hat sich die Merit Order signifikant verändert, da diese Energiequellen sehr niedrige Grenzkosten aufweisen und somit die teureren konventionellen Kraftwerke verdrängen.
Funktionsweise der Merit Order im Strommarkt
Die Merit-Order ist ein entscheidendes Prinzip für die Strompreisbildung und den Einsatz von Kraftwerken. Sie bestimmt, in welcher Reihenfolge Kraftwerke zur Stromerzeugung eingesetzt werden, um die variablen Kosten zu minimieren.
Einsatzreihenfolge der Kraftwerke
Die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke richtet sich nach deren Grenzkosten. Erneuerbare Energien wie Wind- und Solaranlagen stehen an erster Stelle, da sie praktisch keine variablen Kosten für Brennstoffe haben. Ihre Grenzkosten liegen nahe null, was sie zu den günstigsten Optionen macht.
Nach den erneuerbaren Energien folgen je nach aktuellen Marktbedingungen meist Gas- und Dampfturbinenkraftwerke (GuD-Kraftwerke). Diese Kraftwerke sind flexibel und haben relativ niedrige CO2-Emissionen. Kohlekraftwerke stehen in der Regel an dritter Stelle, wobei Braunkohlekraftwerke oft günstigere Grenzkosten als Steinkohlekraftwerke aufweisen.
- Erneuerbare Energien werden zuerst eingesetzt.
- Gas- und Dampfturbinenkraftwerke folgen je nach Marktbedingungen.
- Kohlekraftwerke stehen an dritter Stelle.
Grenzkosten als entscheidender Faktor
Die Grenzkosten sind der entscheidende Faktor für die Einsatzreihenfolge der Kraftwerke. Sie umfassen hauptsächlich Brennstoffkosten und Kosten für CO2-Emissionszertifikate, nicht aber Fixkosten wie Investitions- oder Wartungskosten.
Die Merit-Order sorgt dafür, dass die Stromproduktion stets zu den geringsten variablen Kosten erfolgt. Dies führt theoretisch zu einer effizienten Ressourcennutzung. Die Grenzkosten beeinflussen direkt den Strompreis im Spotmarkt.
Stromhandel und Preisbildung an der Börse
An der Strombörse treffen Angebot und Nachfrage aufeinander, um den Strompreis zu bestimmen. Der Stromhandel in Deutschland findet hauptsächlich an der Strombörse statt.
Spotmarkt vs. Terminmarkt
Der Stromhandel an der Strombörse wird in zwei Hauptsegmente unterteilt: den Spotmarkt und den Terminmarkt. Am Spotmarkt wird Strom für den nächsten Tag oder die nächsten Stunden gehandelt, was eine flexible Reaktion auf Angebots- und Nachfrageschwankungen ermöglicht.
Der Terminmarkt hingegen dient dem langfristigen Stromhandel, bei dem Strom für zukünftige Zeiträume zu festen Preisen gehandelt wird, was Planungssicherheit für Erzeuger und Verbraucher bietet.
Wie das Grenzkraftwerk den Preis bestimmt
Die Preisbildung an der Strombörse folgt dem Prinzip des „uniform pricing“ oder „pay as cleared“. Hierbei bestimmt das Grenzkraftwerk, also das Kraftwerk mit den teuersten Grenzkosten, den einheitlichen Preis für alle eingesetzten Kraftwerke.
Dieses System führt dazu, dass Kraftwerke mit niedrigen Grenzkosten zusätzliche Deckungsbeiträge erwirtschaften können, wenn teurere Kraftwerke den Preis bestimmen. Die Preisbildung an der Strombörse hat somit direkte Auswirkungen auf die Umwelt und schafft Anreize für Investitionen in bestimmte Erzeugungstechnologien.
Rolle der verschiedenen Energieträger in der Merit Order
Die Merit Order ist ein entscheidender Mechanismus bei der Strompreisbildung, wobei verschiedene Energieträger unterschiedliche Rollen einnehmen. Die Positionierung dieser Energieträger in der Merit Order hat direkte Auswirkungen auf den Strompreis und die Umwelt.

Erneuerbare Energien im Fokus
Erneuerbare Energien wie Wind und Sonne stehen aufgrund ihrer niedrigen Grenzkosten an erster Stelle in der Merit Order. Ihre variablen Kosten sind praktisch Null, da sie weder Brennstoffe benötigen noch CO2-Emissionen verursachen.
Positionierung konventioneller Kraftwerke
Konventionelle Kraftwerke wie Kohle- und Kernkraftwerke folgen nach den erneuerbaren Energien. Ihre Position in der Merit Order hängt von den aktuellen Brennstoff- und CO2-Zertifikatspreisen ab.
Gaskraftwerke als flexible Grenzkraftwerke
Gaskraftwerke fungieren häufig als Grenzkraftwerke, da sie flexibel einsetzbar sind und schnell hochgefahren werden können. Sie bestimmen oft den Strompreis für alle Marktteilnehmer.
Der Merit-Order-Effekt auf den Strompreis
Der Merit-Order-Effekt spielt eine entscheidende Rolle bei der Bildung des Strompreises an der Börse. Er beschreibt, wie die Einsatzreihenfolge von Kraftwerken den Strompreis beeinflusst.
Preissenkende Wirkung erneuerbarer Energien
Erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft wirken preissenkend auf den Strompreis am Spotmarkt. Durch ihre niedrigen Grenzkosten verschieben sie die Merit Order zugunsten kostengünstiger Technologien, wodurch teure konventionelle Kraftwerke seltener zum Einsatz kommen.
Einfluss von Brennstoffpreisen auf den Strompreis
Gaskraftwerke, die häufig als Grenzkraftwerke fungieren, bestimmen den Strompreis. Steigen die Gaspreise, wie während der Energiekrise 2021/2022, wirkt sich dies direkt auf die Strompreise aus. Der Merit-Order-Effekt zeigt die Komplexität des Strommarktes und die Herausforderungen bei der Integration erneuerbarer Energien.
Herausforderungen des Merit-Order-Prinzips
Das Merit-Order-Prinzip ist mit mehreren Herausforderungen konfrontiert, die seine Fairness und Effizienz in Frage stellen. Eine der größten Herausforderungen ist die Sicherstellung der Versorgungssicherheit und die Förderung der Integration erneuerbarer Energien.
Ein zentrales Problem hierbei ist das sogenannte Missing-Money-Problem.
Das Missing-Money-Problem
Das Missing-Money-Problem betrifft Kraftwerke mit hohen Grenzkosten, die aufgrund ihrer Position in der Merit Order selten oder gar nicht zum Einsatz kommen. Dies führt dazu, dass sie ihre Fixkosten nicht decken können, was wiederum die Investitionsanreize für den Neubau solcher Kraftwerke verringert.
Auswirkungen der Energiekrise 2021/2022
Die Energiekrise in den Jahren 2021 und 2022 infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine hat die Schwächen des Merit-Order-Prinzips deutlich gemacht. Die explodierenden Gaspreise führten zu extrem hohen Strompreisen, was zeigte, dass das System bei extremen Marktbedingungen zu unerwünschten Ergebnissen führen kann.
Diese Herausforderungen haben eine intensive Debatte über mögliche Reformen des Strommarktdesigns ausgelöst, um die Integration erneuerbarer Energien zu fördern und gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die Strompreise und die Rolle von Gas und anderen Energieträgern spielen hierbei eine zentrale Rolle.
Alternative Modelle zur Strompreisbildung
Die Herausforderungen des Merit-Order-Prinzips führen zu einer Diskussion über alternative Modelle zur Strompreisbildung. Angesichts der volatilen Energiemärkte und der Notwendigkeit, den Übergang zu erneuerbaren Energien zu fördern, suchen Experten nach neuen Ansätzen, um den Strompreis fairer und effizienter zu gestalten.
Pay-as-bid statt Einheitspreisverfahren
Ein alternatives Modell ist das Pay-as-bid-Verfahren, bei dem Erzeuger genau den Preis erhalten, zu dem sie ihren Strom anbieten. Dies könnte theoretisch zu einer Entkopplung von Gas- und Strompreis führen, birgt aber das Risiko strategischen Bieterverhaltens.
Differenzierte Bepreisung für verschiedene Energieträger
Ein weiterer Ansatz ist die differenzierte Bepreisung, bei der verschiedene Energieträger unterschiedlich vergütet werden. Erneuerbare Energien mit niedrigen Grenzkosten könnten nach anderen Regeln vergütet werden als konventionelle Kraftwerke.
Locational Marginal Pricing
Das Locational Marginal Pricing (LMP) berücksichtigt regionale Netzengpässe bei der Preisbildung, was zu unterschiedlichen Strompreisen in verschiedenen Regionen führen würde. Jedes dieser Modelle hat Vor- und Nachteile hinsichtlich seiner Auswirkungen auf die Stromerzeugung, die Versorgungssicherheit und die Umwelt.
- Das Pay-as-bid-Verfahren könnte die Strompreise senken, aber auch zu strategischem Verhalten führen.
- Differenzierte Bepreisung könnte erneuerbare Energien fördern, erfordert aber komplexe Regulierung.
- LMP berücksichtigt Netzengpässe, könnte aber regionale Preisunterschiede verschärfen.
Zukunftsperspektiven für den deutschen Strommarkt (86 Wörter)
Die Integration erneuerbarer Energien wird den deutschen Strommarkt prägen. Die EU-Kommission plant, das Marktdesign für den Stromhandel zu reformieren, um Strom- und Gaspreise zu entkoppeln und Endkundenpreise zu senken.
Dadurch sollen Verbraucher und Industrie von der günstigen Produktion erneuerbarer Energien profitieren. Der weitere Ausbau erneuerbarer Energien verändert die Merit Order und bringt neue Herausforderungen für die Netzstabilität mit sich.